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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 789/06
Rechtsgebiete: MTV, BGB, ArbGG, TVG, ZPO, BAT
Vorschriften:
MTV § 1 Abs. 1 Satz 2 | |
MTV § 1 Nr. 2 Satz 2 | |
MTV § 1 Ziff. 2 | |
MTV § 1 Ziff. 2 Satz 2 | |
MTV § 12 | |
MTV § 12a | |
MTV § 12b | |
MTV § 12b Nr. 2 Satz 1 | |
MTV § 12b Ziff. 1 | |
MTV § 13 | |
MTV § 24 | |
MTV § 26a | |
MTV § 27 | |
MTV § 27 Ziff. 2 | |
BGB § 305 c Abs. 2 | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
TVG § 4 Abs. 1 | |
ZPO § 138 Abs. 1 | |
ZPO § 138 Abs. 4 | |
BAT § 22 |
Aktenzeichen: 9 Sa 789/06
Urteil vom 14.08.2007
Tenor:
1. Die Berufungen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.09.2006, Aktenzeichen 3 Ca 87/06, werden jeweils zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die zutreffende tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin im Zeitraum ab 1.11.2005.
Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.9.2006 - Az. 3 Ca 87/06 - (Bl. 216 ff. d. A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 1.4.2005 nach Vergütungsgruppe AP I, Stufe 3 der Anlage B zum Manteltarifvertrag Z. in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Z. zu vergüten. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, an die Klägerin (als Vergütungsdifferenz für den Zeitraum April 2005 bis Mai 2006) 481,60 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Zugleich hat das Arbeitsgericht die weitergehende Klage, die auf Feststellung einer Vergütungspflicht der Beklagten seit dem 01.01.2005 nach Vergütungsgruppe AP II der Anlage B (Pflegepersonal) zum genannten Manteltarifvertrag sowie Verurteilung der Zahlung der Vergütungsdifferenz des Zeitraums Januar 2005 bis Mai 2006 auf der Grundlage dieser höheren Vergütungsgruppe nebst Zinsen gerichtet war, abgewiesen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit finde der Manteltarifvertrag Z. (MTV) seit dem 01.10.2004 und die Vergütungsregelung seit dem 01.01.2005 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Auch im Falle von in § 26 a MTV vorgesehenen Nachverhandlungen ändere sich hieran nichts. Da die Beklagte erhebliche Einwendungen gegen den Einsatz der Klägerin als Pflegehelferin nicht vorgebracht habe, sei sie in Vergütungsgruppe AP I, Fallgruppe 1 der Anlage B (Pflegepersonal) zum MTV einzugruppieren, wobei in Anwendung von § 12 b Ziff. 1 MTV zur Feststellung der Einstufung nach Betriebszugehörigkeitsjahren auch Zeiten der Beschäftigung vor In-Kraft-Treten des MTV zu berücksichtigen seien. Eine Eingruppierung in Vergütungsgruppe AP II, Fallgruppe 2 der Anlage B (Pflegepersonal) zum MTV im Wege eines dreijährigen Bewährungsaufstiegs aus Vergütungsgruppe AP I komme nicht in Betracht. Die dort vorgesehene Bewährungszeit müsse unter Geltung des MTV zurückgelegt worden seien. Vor In-Kraft-Treten des MTV erbrachte Tätigkeitszeiten könnten zur Erfüllung der Bewährungszeit nicht berücksichtigt werden. Dies ergebe die Auslegung der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen.
Wegen der Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz verwiesen (Bl. 221 ff. d.A.).
Gegen dieses der Klägerin am 26.09.2006 und der Beklagten am 27.09.2006 zugestellte Urteil haben die Klägerin mit einem am 09.10.2006 und die Beklagte mit einem am 17.10.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihre Berufung innerhalb der mit Beschluss vom 23.11.2006 bis zum 27.12.2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 27.12.2006 begründet. Die Beklagte hat ihre Berufung am 27.11.2006 begründet.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage insgesamt. Die Klägerin begehrt unter teilweiser Klagerücknahme im Übrigen die Feststellung ihrer Eingruppierung in Vergütungsgruppe AP II ab 1.1.2005 (bis einschl. März 2005 in Betriebszugehörigkeitsstufe 2 und ab 01.04.2005 in Betriebszugehörigkeitsstufe 3) und auf Grundlage dieser Eingruppierung die Zahlung der Differenz zwischen tatsächlich erhaltener Vergütung und tariflicher Vergütung nebst Zinsen für den Zeitraum Januar 2005 bis einschl. Mai 2006.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung und in Erwiderung auf die Berufung der Beklagten nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 27.12.2006, auf den ergänzend verwiesen wird (Bl. 284 ff. d.A.) im Wesentlichen und zusammengefasst geltend: Auch Bewährungszeiten vor In-Kraft-Treten des MTV seien zu berücksichtigen. Zwar enthalte der MTV hierzu keine ausdrückliche Regelung. Die Tarifvertragsparteien hätten jedoch mit dem MTV keine grundsätzlich neue Vergütungssystematik einführen, sondern das bisherige Vergütungssystem des BAT mit den dort enthaltenen KR-Gruppen (Pflegepersonal) fortführen wollen. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien habe auch Niederschlag in den tariflichen Regelungen gefunden; es seien keine neuen Regelungen geschaffen worden. Vielmehr seien die bisher schon bei der Beklagten anzuwendenden Vergütungsgruppen übernommen und fortgeschrieben worden. Deshalb sei auch eine Übergangsregelung nicht erforderlich gewesen. Auch die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB führe zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten.
Die Anwendbarkeit des MTV setze auch nicht den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 MTV voraus. Es sei auch ausreichend dargelegt worden, dass entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelung eine Beschäftigung als Pflegehelferin erfolgt sei. Die Beklagte habe auch nicht ansatzweise dargelegt, mit welchen anderen, geringerwertigen Tätigkeiten die Klägerin betraut worden sein soll.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.09.2006, Az.: 3 Ca 87/06 abzuändern und
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit 01.01.2005 nach Vergütungsgruppe AP II der Anlage B (Pflegepersonal) zum MTV Z. nach Betriebszugehörigkeitsstufe 2 und ab 01.04.2005 nach Betriebszugehörigkeitsstufe 3 entsprechend dem Vergütungstarifvertrag Z. zu vergüten;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2006 einen Betrag in Höhe von € 1.730,92 brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von jeweils € 36,48 seit dem 07.02., 07.03. und 07.04.2005 sowie einen Betrag in Höhe von € 115,82 seit dem 09.05., 07.06., 07.07., 06.08., 07.09., 08.10., 08.11., 07.12.2005 sowie seit dem 09.01.2006, 08.02.2006, 08.03., 07.04., 07.05. und 08.06.2006.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.09.2006, Az.: 3 Ca 87/06, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
2. Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit ihrem Schriftsatz vom 01.02.2007, auf den verwiesen wird, (Bl. 304 ff. d. A.) in Erwiderung auf die Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil in seinem klageabweisenden Teil als rechtlich zutreffend. Zur Begründung ihrer eigenen Berufung macht die Beklagte geltend, aus § 1 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages vom 24.09.2004 ergebe sich, dass dieser erst anzuwenden sei, wenn entsprechende Arbeitsverträge abgeschlossen seien. Ferner würden in Anwendung des § 26 a des Manteltarifvertrages derzeit noch Verhandlungen über die Auslegung des Tarifvertrages stattfinden. Die Klägerin habe die ihr obliegende Darlegungslast schon im Hinblick auf eine Eingruppierung in Vergütungsgruppe AP I nicht erfüllt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der beklagten vom 27.11.2006 (Bl. 265 ff. d. A.) verwiesen.
Bezüglich des Wortlauts der genannten tariflichen Bestimmungen wird auf Bl. 8 ff. d. A. (Manteltarifvertrag - MTV -) und Bl. 20 ff. d. A. (Vergütungsregelungen) verwiesen.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufungen sind zulässig. Die Rechtsmittel sind jeweils an sich statthaft und wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II. In der Sache haben beide Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Berufungskammer folgt zunächst den Gründen des angefochtenen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Parteien sind lediglich folgende ergänzende Ausführungen veranlasst.
1 Berufung der Beklagten:
a) Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus § 1 Ziffer 2 Satz 2 des Manteltarifvertrages und der darin normierten Verpflichtung, entsprechende Arbeitsverträge abzuschließen, ergebe sich, dass der Tarifvertrag vor Abschluss derartiger Arbeitsverträge nicht anwendbar sei bzw. keine tarifvertraglichen Ansprüche bestehen könnten, ist dies unzutreffend. Für ein derartiges Verständnis der tariflichen Bestimmung finden sich im Tarifwortlaut keinerlei Anhaltspunkte. § 1 Nr. 2 Satz 2 Manteltarifvertrag knüpft an das Inkrafttreten des Tarifvertrages als Rechtsfolge die Verpflichtung zum Abschluss entsprechender Arbeitsverträge, nicht aber wird der Abschluss von Arbeitsverträgen zur Voraussetzung für das Inkrafttreten des Tarifvertrages gemacht. Die Frage des Inkrafttretens ist vielmehr in § 27 des Manteltarifvertrages eigenständig geregelt. Ein derartiges Verständnis widerspräche auch der Funktion des Tarifvertrags. Gemäß § 4 Abs. 1 TVG wirken die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Funktion eines Tarifvertrages ist es damit gerade, die inhaltlichen Bedingungen von Arbeitsverhältnissen normativ, d. h. gerade unabhängig von entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu gestalten (ebenso LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28.3.2007, 3 Sa 463/06 und 3 Sa 467/06).
Auch die Tatsache von evtl. Nachverhandlungen im Sinne des § 26 a Manteltarifvertrag hindert eine gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Fall nicht. Die Tarifvertragsparteien haben die Nachverhandlungspflicht unabhängig vom Inkrafttreten des Tarifvertrages geregelt.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte der Sachvortrag der Klägerin im Hinblick auf ihre eingruppierungsrelevante Tätigkeit auch keiner weitergehenden Substantiierung.
Nach § 1 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin als Pflegehelferin eingestellt. Diese Bestimmung beinhaltet nicht nur eine Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung entsprechender Arbeitsleistungen, sondern auch einen Anspruch der Klägerin entsprechend beschäftigt zu werden. Die Beklagte ihrerseits hat keinerlei konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass abweichend von der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eine hiervon inhaltlich abweichende Beschäftigung erfolgt ist, sondern hat lediglich auf die (hypothetische) Möglichkeit verwiesen, dass es "denkbar (sei), dass die Parteien "in der Praxis im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen haben, dass die Klägerin auch andere Tätigkeiten übernimmt". Die Beklagte ist zudem dem Sachvortrag der Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 16.05.2006, S. 4 (Bl. 128 d. A.), sie werde tatsächlich als Pflegehelferin eingesetzt und sei entsprechend auch dienstplanmäßig eingeteilt worden, nicht entgegengetreten. Auch angesichts dessen, dass die Vergütungsgruppe AP I mit der dort aufgeführten Tätigkeitsbeschreibung die Eingangsvergütungsgruppe für die Beschäftigtengruppe "Pflegepersonal" darstellt , die Beklagte Pflegeeinrichtungen betreibt und jedwede Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Klägerin überwiegend mit Tätigkeiten außerhalb des Pflegebereichs beschäftigt worden wäre, hätte es der Beklagten oblegen, eine ggf. von der vertraglichen Vereinbarung abweichende Beschäftigung näher darzulegen. Die Beschäftigung der Klägerin hat sich im Wahrnehmungsbereich der Beklagten vollzogen; die von der Beklagten aufgezeigte hypothetische Möglichkeit einer (dann wohl unter Nichtbeachtung der in § 15 des Arbeitsvertrages vereinbarten Schriftform für Vertragsänderungen) einvernehmlichen Übernahme anderweitiger Tätigkeiten setzt eine Einigung der Parteien hierüber voraus, also einen Vorgang, der sich ebenfalls auch im Wahrnehmungsbereich der Beklagten ereignet hätte, so dass die Beklagte nach §§ 138 Abs. 1, 4 ZPO gehalten gewesen wäre, sich hierzu konkret zu äußern.
Da auch die Regelungen der Anlage B zum MTV, die Beschäftigte in der Tätigkeit von gewerblichen Arbeitnehmern betreffen, belegen, dass die Klägerin keine der dort aufgeführten Tätigkeiten ausübt und weitere Tätigkeiten offensichtlich bei der Beklagten nicht zu vergeben sind, kann die Berufungskammer ohne weiteres davon ausgehen, dass die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vergütungsstufe AP I Fallgruppe 1 Anlage B (Pflegepersonal) zum MTV erfüllt.
2. Berufung der Klägerin
a) Festzuhalten ist zunächst, dass insoweit aufgrund der auch in der Berufungsinstanz zulässigen und mit Zustimmung der Beklagten erfolgten teilweisen Klagerücknahme streitgegenständlich nur noch die Frage ist, ob die Klägerin die Voraussetzungen einer Eingruppierung in Vergütungsgruppe AP II der Anlage B (Pflegepersonal) mit Betriebszugehörigkeitsstufe 2 im Zeitraum Januar bis einschl. März 2005 (statt wie erstinstanzlich beantragt Betriebszugehörigkeitsstufe 3 bereits seit Januar.2005) und ab 1.4.2005 einer solchen nach Betriebszugehörigkeitsstufe 3 erfüllt und deshalb auch entsprechende Differenzvergütungsansprüche nebst Zinsen bestehen.
b) Auch mit diesem eingeschränkten Begehren hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht ist zutreffend und in Anwendung der für die Auslegung von Tarifverträgen maßgeblichen Auslegungsgrundsätze zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Voraussetzungen nach der hier einzig in Betracht kommenden Vergütungsgruppe AP II Fallgruppe 2 der Anlage B zum MTV (Pflegepersonal) zumindest derzeit nicht erfüllt, da die vorausgesetzte drei-jährige Bewährungszeit als Pflegehelferin in der Vergütungsgruppe AP I Fallgruppe 1 nicht vollendet ist.
Gem. § 27 Ziff. 2 MTV traten u. a. die die Eingruppierung betreffenden tariflichen Bestimmungen der §§ 12, 12 a , 12 b, 13 MTV erst mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft. Vergütungsgruppe AP II Fallgruppe 2 setzt aber die Vollendung der Bewährungszeit unter Geltung der entsprechenden Regelungen des MTV voraus (ebenso LAG Berlin, Urt. v. 7.7.2006, 6 Sa 611/06 und vom 26.7.2006, 4 Sa 514, 1071/06). Die Berufungskammer teilt in Ergebnis und Begründung die vom Arbeitsgericht vorgenommenen Tarifauslegung:
Eine Tarifnorm wird grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens wirksam, sofern nicht im Tarifvertrag eine weiterreichende Regelung getroffen worden ist. Dementsprechend können sich bei Einführung eines neuen Fallgruppenbewährungsaufstiegs geforderte Bewährungszeiten grundsätzlich nur auf Zeiten ab seiner Einführung und - aufgrund einer Übergangsvorschrift - unmittelbar davor abgeleistete Zeiten auswirken (LAG Berlin, aaO. unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 14.04.1999 - 4 AZR 189/88 - BAGE 91, 163 = AP BAT-O § 23a Nr. 1 zu 5 b, dd (4) der Gründe ). Ist eine solche Übergangsvorschrift vorhanden, muss darin allerdings der Wille, unmittelbar vorangegangene Bewährungszeiten beim selben Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen, deutlich zum Ausdruck kommen ( BAG, Urteil vom 29.09.2003 - 4 AZR 693/92 - BAGE 74, 268 = AP BMT-G II § 20 Nr. 4 zu B II 3 b, cc der Gründe ).
Eine derartige Übergangsvorschrift existiert im vorliegenden Fall nicht.
§ 24 MTV garantiert unter der Überschrift "Besitzstandswahrung" nur das bisherige Einkommen der Arbeitnehmer, wobei nach Buchst. a nur eine erreichte Stufung nach Berufsjahren bzw. Lebensalter bestehen bleiben soll. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass frühere Bewährungszeiten als solche keine Berücksichtigung für die Eingruppierung finden sollen. Bestätigt wird dies dadurch, dass für die nunmehr gemäß § 12b Nr. 2 Satz 1 MTV maßgebliche Einstufung nach Beschäftigungsjahren in Nr. 1 dieser Tarifnorm auf den Beginn des Monats abgestellt wird, in dem der Angestellte seine Tätigkeit bei der P. S. AG oder einer deren Tochtergesellschaften aufgenommen hat, also auch Zeiten erfasst werden, die vor Inkrafttreten des MTV gelegen haben.
Ebenso spricht der Wortlaut der tariflichen Regelung der Vergütungsgruppe AP II Fgr. 2 der Anlage B (Pflegepersonal) zum MTV für dieses Verständnis, da danach Voraussetzung der Eingruppierung eine dreijährige Bewährung in "dieser" Vergütungsgruppe ist, die ihrerseits erst mit Wirkung zum 01.01.2005 in Kraft getreten ist.
Ein hiervon abweichender Wille der Tarifvertragsparteien, der im Wortlaut des Tarifvertrages ausreichenden Niederschlag gefunden hätte, lässt sich nicht feststellen. Die Klägerin stützt sich insoweit darauf, dass die nunmehr geltenden tariflichen Regelungen die Eingruppierungssystematik des BAT haben fortführen sollen. Zutreffend ist, dass in § 14 des Arbeitsvertrages der Parteien "für die Arbeitsbedingungen im übrigen" die Bestimmungen des Tarifvertrages der X. in Rheinland-Pfalz und der ÖTV (X.-TV) gelten sollten und dieser Tarifvertrag (Bl. 138 ff. d. A.) seinerseits in § 4 hinsichtlich der Eingruppierung -soweit hier von Interesse- auf die Bestimmungen der Anlage 1 b zum BAT verweist. Zutreffend ist ebenfalls, dass das nunmehr vereinbarte Vergütungsgruppensystem weitestgehend der Anlage 1 b, Abschnitt A BAT - KR (Pflegepersonal) entspricht.
Hinzuweisen ist aber darauf, dass § 14 des Arbeitsvertrages den genannten X.-TV nur ergänzend ("im übrigen") in Bezug nimmt und die in § 5 des Arbeitsvertrages ausdrücklich genannten Vergütungsbestandteile selbständig durch Arbeitsvertrag geregelt sind und damit nicht der allgemeinen Verweisung nach § 14 unterliegen. § 5 ist als eine der Auffangbestimmung des § 14 vorgehende spezielle Regelung zu verstehen (BAG 9.11.2005, 5 AZR 128/05, EzA § 305c BGB 2002 Nr 3, II 1 der Gründe). Gerade hierdurch wird deutlich, dass die Beklagte nicht das Eingruppierungssystem des BAT generell und auf tariflicher Grundlage angewendet hat, sondern die Vergütung einzelvertraglich -wenn auch in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbart hat. Dem entspricht es, dass das BAG in der genannten Entscheidung vom 9.11.2005 darauf hingewiesen hat, die Eingruppierungsautomatik des § 22 BAT solle offensichtlich nicht gelten.
Auch die Auslegung des § 5 des Arbeitsvertrages in Anwendung des § 305 c Abs. 2 BGB führt nicht dazu, dass die Beklagte einzelvertraglich und aufgrund der inhaltlichen Parallelität der Arbeitsverträge der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter generell verpflichtet gewesen wäre, aus der für die einzelvertraglich erwähnte KR-Vergütungsgruppe heraus mögliche Bewährungsaufstiege durch Zahlung höherer Vergütung zu vollziehen. § 5 des Arbeitsvertrages enthält zur Frage des Bewährungsaufstiegs keinerlei Anhaltspunkte. Das BAG hat im genanten Urteil vom 9.11.2005 die möglichen Auslegungsergebnisse der Vertragsbestimmung aufgezeigt: Danach kann die Formulierung "Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung" in Verbindung mit der Benennung einer bestimmten Vergütungsgruppe/Stufe mangels einer entgegenstehenden Bestimmung eine Verweisung auf das jeweilige Entgelt der betreffenden Entgeltgruppe darstellen. Die den tariflichen Vergütungsbestandteilen zugeordneten Zahlbeträge sollen dann nur über das bei Vertragsabschluss aktuelle Vergütungsniveau informieren. Gemeint sein kann aber auch die bloße Zuordnung zu einer tariflichen Gehaltsgruppe, ohne dass damit etwas zur Frage der dynamischen Anpassung an die jeweilige tarifliche Gehaltsentwicklung ausgesagt wird.
Eine darüber hinausgehende Aussage im Sinne auch der Einbeziehung tariflicher Regelungen über den Bewährungsaufstieg lässt sich § 5 des Arbeitsvertrages nicht entnehmen.
III. Die sich auf der Grundlage der zutreffenden Eingruppierung ergebenden Zahlungsbeträge sind unstreitig und vom Arbeitsgericht zutreffend ermittelt. Die Zinsansprüche sind unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs ebenfalls begründet.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Da beide Berufungen erfolglos sind, waren die Kosten des Berufungsverfahrens im Verhältnis der beiden Rechtsmittelstreitwerte quotenmäßig aufzuteilen. Die Kammer hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Es handelt sich um die Auslegung eines Tarifvertrages geht, der in bundesweit angesiedelten Betriebsstätten angewendet wird.
Ende der Entscheidung
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